Tempi, Taktwechsel und ausgefeilte Dynamik – ein beschaulicher Blick auf das Orchesterkonzert in Eutin

29. Januar 2015 | Von | Kategorie: Lesenswertes

orchestermusikDen Mützenschirm auf dem Hinterkopf, die beiden kleinen Mädchen an der Hand erkärt der sonore englische Bass seinen Kindern, dass er once upon a time hier mal die Schule besucht hat. Man wartet vor der Aula des alten  Gynasiums der Johann Heinrich Voss – Schule auf Einlass. Neben ihm mit intelligenter Randlosbrille ein Pferdeschwanz, der schon mal Bewertungen abgibt in Bezug auf  Instrumentalspiel  der heutigen Jugend. Mit dem rechten Daumen über die Schulter weisend, meint er: Die haben es noch gelernt, aber wie lange hält es an?

Sein Daumen meint den großen Klassenraum an der Ecke  im ersten Stock, wo emsiger Betrieb herrscht: Unter Ach Neeee – Ausrufen  trommelt ein Mädchen den Flohwalzer auf dem Klavier, emsige männliche Lockenköpfe eilen mit hocherhobener Violine durchs Gewühl noch übender, sich herausputzender Kinder, ein älterer Herr entkommt dem hochgespannten Gewimmel mit seiner Posaune und bläst bis zum Brunnen in der Flurmitte und zurück herrlich satte Knarz – und Gieks – Oktaven, blickt zufrieden.

Die Aula ist geöffnet, Großeltern, Familienmitglieder und Interessierte haben Platz genommen. Von den ca 200 Plätzen sind  etwa sechzig Prozent gefüllt.

Einmarsch des Orchesters.

Die Eutiner Gymnasien und die beiden NeumĂĽnsteraner Schulen Klaus Groth und Brachenfeld haben eine ansehnliche Sammlung von Spielern auf die BĂĽhne gebracht zum Abschlusskonzert der Orchesterkooperation Eutin/ NeumĂĽnster.

Maike Drenckhahn wirft in der ihr eigenen munteren Art BegrĂĽĂźungsworte gestapelt ins Publikum, das nicht alles versteht, sich aber auf das Programm freuen kann.

Auf fester Schiene dampft Carpentier mit seiner stählernen Eurovisionslok zu Beginn in die Aula. Sowas macht sicher.

Die Königin von Saba kann sich auf die Flöten gut verlassen, die Streicher deuten elegant viel an.

Sicher in sich ruhend und dies auch an seine Musik weitergebend, fächert der Solotrompeter sein farbiges Concertino gekonnt auf und kann sich auf seine  Begleitung gut verlassen.

Ihm folgt, teilweise mit heftigen Schraffuren versehen, Amadeus. Das Arrangement zieht ouvertüreartig zusammen, verfremdet aber auch in gleichem Maße. Mozart sieht aus dem Fenster, lächelt.

Mit La vie en rose tanzt dann  der einzige Dirigent dieses Abends zum erstenmal elegant und dynamisch durch ein raffiniertes Arrangement mit strengen Bläsereinlagen.

Schwedisch winterlich setzte er dann seine Fahrt per zierlichem – aber kraftvollem schwedischem Schlitten fort, der, Puderschnee um sich  sprühend, aber auch piruettendrehend durch die Ebenen fegt. Kein Pferd geht durch.

Tschaikowskis Jagd dann wieder fest verwurzelt in viel rhythmischem Blech und schönen Bläserdialogen.

Fast aufeinanderfolgend dann die beiden absoluten Publikumsstars:

Mit Slawischer Tanz Nr.1 von Dvorak und Chicago von Kander reißt ein fuliminant und zu Höchstleistungen fähiges Orchester den Saal mit. Der hochagile und alles umtriebig erfassende Dirigent hat Tempi, Taktwechsel, ausgefeilte Dynamik, wechselnde Instrumentalschwerpunkte genial  im Griff und führt eindrucksvoll vor, wie wenig solch ein Schülerorchester mit einer so guten  Leistung an  herkömmliche Schülermusik erinnern muss.

Ovationen im Publikum.

Der Pferdeschwanzvater, auf dem Weg zum Ausgang,  selig und zärtlich mit glücklicher  Streichertochter im Arm: Ihr könnt das.

Recht hat er.

 

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