Ministerpräsident Torsten Albig erläuterte mit Schülern der Gemeinschaftsschule Brachenfeld neue Ideen zum Umgang mit Flüchtlingen.
Als seine Tochter Hannah (18) vor wenigen Wochen mit ihrem neuen syrischen Freund vor der Tür stand, zuckte Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) erst einmal zusammen. „Mein erster Gedanke war: Jetzt kommt das Fremde in meine Familie. Hätte sie sich nicht einen Jungen aus Kiel aussuchen können? Doch dann haben wir uns näher kennengelernt und schnell verstanden.“ Frei und offen diskutierte der Regierungschef gestern Mittag vor rund 100 Oberstufenschülern und Lehrern der Gemeinschaftsschule Brachenfeld über die Flüchtlingspolitik. Ausgearbeitet hatte die Gesprächsrunde die Klasse 12 b. Es war der zweite „Dialog mit der Zukunft“ des Ministerpräsidenten. Bis Jahresende will er acht bis neun weitere Schulen im Land besuchen und mit jungen Leuten ins Gespräch kommen.
Die Wahl auf die Brachenfelder fiel nicht per Zufall. Seit Jahren schon veranstalten die Schüler in ihrer „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ verschiedene Projekte. Ob die Begleitung der Anne-Frank-Ausstellung vor zwei Jahren, Sprachkurse und Spenden für Flüchtlinge oder Hilfe für Jüngere: Die Schüler haben sich Toleranz, Weltoffenheit und Engagement auf die Fahnen geschrieben. „Ich suche mir bewusst gute Beispiele aus, damit auch andere Schulen im Land sich daran orientieren können“, erklärte Albig.
Während des gut einstündigen Treffens wollte er von den Mädchen unter anderem wissen, ob sie sich nach der Silvesternacht von Köln bedroht fühlten. „Tagsüber nicht, aber wenn ich abends alleine über den Großflecken gehe, überlege ich schon, dass es hier viele Ausländer gibt“, antwortete eine Oberstufenschülerin ehrlich. Albig erklärte, seine Tochter erlebe an der Kieler Bergstraße jedes Wochenende Situationen wie in Köln. „Das ist nicht schön, aber es ist auch nicht neu.“
Diskutiert wurde auch über eine bessere Integration der Neuankömmlinge. Hier ging Albig auf Gegenkurs zur Bundesregierung. Die Ausbildungsverordnungen müssten so vereinfacht werden, dass Flüchtlinge schnell arbeiten könnten, auch ohne die deutsche Sprache perfekt zu können, forderte er und kündigte entsprechende Initiativen seiner Regierungskoalition an. „Mir hat neulich ein Mann aus Eritrea gesagt, er möchte Waren verkaufen. Er spricht aber nur Englisch. Warum soll er nicht trotzdem arbeiten dürfen? Uns fehlen Kräfte, vor allem im Dienstleistungsbereich, in der Landwirtschaft und in der Gastronomie.“ Dieser Vorstoß fand bei den Schülern Unterstützung: „Durch die Arbeit, aber auch durch die Mitgliedschaft in Vereinen lernen die Menschen ja die Sprache“, erklärte ein Schüler.
Am Ende zeigten sich beide Seiten beeindruckt. „Das waren kluge junge Leute, die sich selbstbewusst positionieren“, sagte Albig. Er nehme den Vorschlag eines Schülers mit, dass jede Schule mal einen Tag mit Flüchtlingen im Lehrplan aufnehmen soll. Luis Ternes (18) aus der 12 b sagte: „Albig war ehrlich und bodenständig. Ich habe gelernt, dass es in der Politik keine einfache Lösung gibt.“
Weitere Informationen im Landesportal: http://www.schleswig-holstein.de/DE/Landesregierung/I/_startseite/Artikel/160415_DialogZukunft.html
Bild und Text: Christian Lipovsek