Big Brother is watching you: Der totale Überwachungsstaat war in der ehemaligen DDR RealitĂ€t

10. November 2016 | Von | Kategorie: Lesenswertes, Oberstufe

Ein ZeitzeugengesprĂ€ch: DDR-WiderstandskĂ€mpfer Karsten DĂŒmmel zu Besuch

Der DDR-WiderstandskĂ€mpfer Karsten DĂŒmmel war am 8. November 2016 an der Gemeinschaftsschule NeumĂŒnster-Brachenfeld zu Besuch. Die Veranstaltung war im Rahmen der Schule gegen Rassismus, Schule fĂŒr Courage (Frau Vos) in Zusammenarbeit mit dem Profil Wirtschaft/Politik (Herr KlotzbĂŒcher) organisiert worden und der elfte Jahrgang nahm an der Veranstaltung teil. Im Theatersaal der GemS sprach der Zeitzeuge DĂŒmmel ĂŒber das Thema: „ Was war die Stasi? LĂŒgen und Misstrauen als Grundprinzipien des Ministeriums fĂŒr Staatssicherheit in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik.“ Nach einer BegrĂŒĂŸung durch Schulleiterin Frau Rohwer trug DĂŒmmel zunĂ€chst allgemein zu den einzelnen Bestandteilen einer Stasiakte vor. In dem Vortrag wurden geheime Anweisungen und Unterlagen, Zersetzungsmaßnahmen, Richtlinien und Befehle der Staatssicherheit vorgestellt, die u. a. die systematische „Disziplinierung,“ „Diskreditierung“, „Isolierung“ „Liquidierung“ und „Benachteiligung“ von Systemkritikern, Oppositionellen und “Ausreiseantragstellern” als „feindlich-negative Personengruppen“ skizzierten und dokumentierten. So wurden gegen ihn operative Personenkontrollen (OPKs) sowie ausfĂŒhrliche Beobachtungen durchgefĂŒhrt, sogenannte „operative VorgĂ€nge (OVs)“. Das Geflecht aus Schule, Nachbarn, Armee, UniversitĂ€t, Betrieb, Rat der Stadt und Staatssicherheit kam hierbei ebenso zur Sprache wie die verschiedenen aktiven und passiven Formen mutiger Verweigerung und des Protestes. DĂŒmmel war in der DDR Mitglied einer Widerstandsgruppe, die sich im kirchlichen Umkreis der protestantischen Kirchengemeinde St. Gera-Lusan gemeinsam mit Freya Klier und Stefan Krawczyk fĂŒr Menschen- und Freiheitsrechte der BĂŒrger der DDR einsetzte. Er und seine Frau hĂ€ngten Banner in Kirchen auf, die deutlich Kritik an den gesellschaftlichen ZustĂ€nden in der DDR ĂŒbten. Zudem war das Engagement im christlichen Umkreis der Stasi ein Dorn im Auge. Durch dieses Handeln wurde das Ministerium fĂŒr Staatssicherheit (Stasi) auf den jungen DĂŒmmel aufmerksam. Seine Wohnung wurde ĂŒberwacht, er wurde systematisch ganztĂ€gig in operativen  VorgĂ€ngen beobachtet und alles Beobachtete detailliert protokolliert. 1984 stellte DĂŒmmel einen Antrag auf Ausreise aus der DDR, 56 FolgeantrĂ€ge folgten. Beginnende Zersetzungsmaßnahmen der Stasi widerfuhren DĂŒmmel: 4 x U-Haft; Arbeitsplatzbindung (Zwangsarbeit) als Fensterputzer / Hilfsarbeiter; Stadtarrest; Hausarrest, Reise- und Berlinverbot; Kontaktaufnahmesperre u.a.m. An Beispiel seiner Stasiakte machte DĂŒmmel deutlich, wie perfide der Geheimdienst der ehemaligen DDR Menschen bespitzelte und in einem Überwachungsstaat alles ĂŒber Menschen aufschrieb. Seine eigene Akte hatte ĂŒber 20 Aktenordner gefĂŒllt mit Dokumenten ĂŒber ihn; seine Tochter und seine Frau wurden auch ĂŒberwacht. In einer Klarnamendatei wurden die sexuellen, politischen, religiösen und sozialen Vorlieben von DĂŒmmel erfasst und genauestens protokolliert. Es gab in der DDR 600.000 inoffizielle Mitarbeiter. DĂŒmmel war ĂŒber dieses Ausmaß der Bespitzelung schockiert. Auch seine Tochter, damals fĂŒnfjĂ€hrig, wurde zu einer feindlich-negativen Person erklĂ€rt, weil sie anscheinend feindliche-negative Schriften erstellt hĂ€tte, obwohl sie noch gar nicht lesen und schreiben konnte. 1988 wurde er in die Bundesrepublik freigekauft. Er studierte anschließend Rhetorik und Germanistik in TĂŒbingen, promovierte. 1996 und lebte seit 2004 in Senegal, Mali, Frankreich, Kenia und derzeit in Bosnien Herzegowina. Am Ende des Vortrags gab es noch eine rege einstĂŒndige Diskussion und die SchĂŒler stellten an den Zeitzeugen Karsten DĂŒmmel diverse Fragen. DĂŒmmel stand auch nach dem Vortrag noch fĂŒr GesprĂ€che zur VerfĂŒgung, auch gab es einen BĂŒchertisch mit den aktuellen Romanen und Publikationen von Karsten DĂŒmmel. In der Schulbibliothek der Schule werden die BĂŒcher zur Ausleihe zur VerfĂŒgung stehen und auch ein Klassensatz mit wissenschaftlichen AufsĂ€tzen zu den Stasiakten stehen den Kollegen fĂŒr den Unterricht in der Weltkunde-Fachschaft zur VerfĂŒgung. Eine Folgeveranstaltung ist gewĂŒnscht und wird wahrscheinlich im kommenden Jahr wieder stattfinden. Ein sehr gelungener Vortrag mit einer sehr beeindruckenden Persönlichkeit, die wieder deutlich macht, dass es sich lohnt, sich aktiv mit der Erhaltung von Freiheit und Demokratie einzusetzen.

ddr

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